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Soziale Arbeit

Stellungnahme zum Entwurf Kinder- und Jugendgesetz KJG

Lic. phil. Heinz Hermann Baumgarten, ehem. Leiter Jugendamt Basel-Stadt

(Der Text entstand im Rahmen der Vernehmlassung am 28.09.2013)

1 Vorbemerkung

Das neue Kinder- und Jugendgesetz (KJG) ist wie das geltende Gesetz betreffend kantonale Jugendhilfe JHG ein Rahmengesetz, das – gestützt auf die UN-Kinder­rechts­konvention (KRK) – Kinder und Jugendliche als Rechtssubjekte, d.h. als Träger von Rechten und Pflichten bezeichnet.
Gemäss Ziff. 11 des Ratschlags (RS) bezweckt die Revision des geltenden Gesetzes betreffend kantonale Jugendhilfe (Jugendhilfegesetz, JHG) keine neuen finanziellen Ansprüche. Der KJG-Entwurf regelt den Status quo und unterscheidet zwischen den vom Kanton und den Gemeinden zu erbringenden Leistungen. Die notwendigen Mittel sollen wie bis anhin im ordentlichen Budget eingestellt werden.

1.1 Öffentliche Vernehmlassung zum Ratschlag und Entwurf zu einem neuen Kinder- und Jugendgesetz

Im Einladungsschreiben des Vorstehers Erziehungsdepartement vom 02.07.2013 an die Vernehmlassungsempfänger/innen werden die öffentlichen Adressat/innen (Verwaltung, Gemeinden, Gerichte, Parteien, weitere dem Grossen Rat zugeordneten Organe) detailliert aufgelistet, während alle anderen Adressat/innen pauschal unter «Externe Leistungs­erbringer und Akteure der Jugendhilfe» figurieren.
Die Nennung dieser Institutionen und Organisationen hätte einen Überblick über die involvierten Leistungser­bringer gegeben. Im Übrigen schreibt § 3 Abs. 2 Satz 2 der Vernehmlassungsverordnung vor, den Unterlagen eine Liste aller Adressaten beizulegen.
Ein ‹Schönheitsfehler› liegt darin, den Beginn der Vernehmlassung ausgerechnet in die Sommerferien zu legen, was aus naheliegenden Gründen praktisch die Vernehm­las­sungs­frist einschränkt, obwohl formell die in § 4 Vernehmlassungsverordnung vorgeschriebene Vernehmlassungsdauer von mindestens zwei Monaten knapp eingehalten wird.

1.2 Formale Gesichtspunkte

Im KJG-Entwurf sind sprachliche Ungenauigkeiten zu beseitigen und zum besseren Verständnis durchgängig einheitliche Termini zu verwenden – z. B. Kinder- und Jugendhilfe statt Jugendhilfe; Altersjahr statt Lebensjahr.

1.3 Verweis auf die Synopse

Während die neuen Gesetzesbestimmungen im Ratschlag eingehend begründet werden, wird hinsichtlich der Übernahme der geltenden Bestimmungen und bezüglich der Weglassungen, ohne dass diese begründet werden, lakonisch auf die Synopse verwiesen: «Wie die geltenden Bestimmungen in das neue Gesetz übertragen wurden und auf welche Regelungen verzichtet wurde, ist der Synopse im Anhang zu entnehmen

Dem Leser springen drei Punkte ins Auge:

  • Verzicht auf die explizite Nennung der Erziehungsträger: Inhaber der elterlichen Sorge und Schule
  • Verzicht auf die Bestimmung der Grundausrichtung der Erziehung durch die Eltern
  • Verzicht auf die gesetzliche Verankerung der Kommission für Jugendfragen

Hierauf wird noch eingegangen.

2 Zum Titel des Gesetzes

Der Titel «Gesetz betreffend Förderung von Kindern und Jugendlichen und Hilfen für Kinder und Jugendliche (Kinder- und Jugendgesetz, KJG)» wirkt etwas schwerfällig und sollte wenn möglich kürzer gefasst werden.
Im RS 12.1 (15/35) wird dazu angemerkt: «Der gewählte Titel ‹Gesetz betreffend Förderung von Kindern und Jugendlichen und Hilfen für Kinder und Jugendliche› wird der Tatsache gerecht, dass Jugendhilfe nicht durchgängig als zusammenfassende Bezeichnung verstanden wird, unter die die Förderung von Kindern und Jugendlichen subsumiert wird. Vielmehr soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass beide Aspekte der Jugendhilfe gleichwertig sind.»
Im Gegensatz zu dieser Auffassung wird im deutschsprachigen Raum der Terminus «Kinder- und Jugendhilfe» sehr wohl als Oberbegriff für alle im KJG aufgeführten Aufgabenbereiche verwendet.
Im KJG-Entwurf geht es wesentlich um Förderung und Schutz von Kindern und Jugend­lichen. Insofern wäre es folgerichtig, dies auch im Titel des Gesetzes her­vor­zuheben. Doch gibt es bereits das Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz. Gefährdungen des Kindeswohls aufgrund ungenügender Förderung oder mangelnden Schutzes durch die Inhaber der elterlichen Sorge rufen nach Hilfen zur Erziehung oder – abhängig vom Gefährdungsgrad – nach Anordnung geeigneter Kindes­schutz­mass­nahmen gemäss Artikel 307 ff. Zivilgesetzbuch (ZGB), was in dem Kurztitel «Kinder- und Jugend­hilfe­gesetz» zum Ausdruck gebracht werden kann. Förderung, Schutz und Hilfen sind Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe und bedingen einander. Man kann aber auch die Förderung und die Hilfen im Gesetzestitel betonen.

  • Zur Titeländerung unterbreiten wir folgende Vorschläge
    • Gesetz betreffend Förder- und Hilfeleistungen für Kinder und Jugendliche (Kinder- und Jugendhilfegesetz, KJHG)
    • Gesetz über Fördermassnahmen und Hilfeleistungen bei Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendhilfegesetz, KJHG)
    • Gesetz über Fördermassnahmen und Hilfeleistungen für Kinder und Jugendliche (Kinder- und Jugendhilfegesetz, KJHG)
    • Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG).

3 Zu den gesetzlichen Bestimmungen im KJG

3.1 Zu § 1 KJG

Es dürfte zweckmässig sein, in § 1 KJG eingangs eine Abgrenzung zum Kindes- und Erwachsenen­schutzgesetz (KESG) vorzunehmen oder in § 9 Ziff. 2 KJG auf § 2 Abs. 1 und Abs. 2 KESG darauf zu verweisen.

3.2 Zu § 2 KJG

Begriffe
§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes
a) wird «Jugendhilfe» verstanden als Handlungsbereich, welcher zusätzlich zur Schule und zu privaten Leistungen in Familien die sozialen Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen gestaltet,
b) sind «Kinder und Jugendliche» Personen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr und
c) «junge Erwachsene» Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr.

§ 2 KJG lit. a) stützt sich auf eine Definition von Stefan Schnurr im Beitrag «Grundleistungen der Kinder- und Jugendhilfe» (2012, 68)[1]:

«Der Begriff Kinder- und Jugendhilfe bezeichnet jenen Handlungsbereich, den moderne Wohlfahrtsstaaten hervorgebracht haben, um zusätzlich zur Schule (bzw. den Institutionen der formalen Bildung und Berufsbildung) und zusätzlich zu den privaten Leistungen von Familien und Verwandtschaftssystemen die sozialen Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen zu gestalten».

Die wortgleiche Definition befindet sich bereits zwei Jahre früher in dem von Schnurr verfassten Abschnitt «3. Kinder- und Jugendhilfe» des Berichts «Kinder- und Jugendhilfe im Kanton Basel-Landschaft – Bestandesaufnahme und Entwicklungsperspektiven (2010, 13 f.), an dem er als externer Fachberater mitgewirkt hat.[2] Darin verortet er die Kinder‐ und Jugendhilfe mit ihren Diensten, Angeboten, Eingriffen und Leistungen für Kinder, Jugendliche und Familien als unmittelbare Nutzer «zwischen Schule und Familie».[3]
Bezogen auf die Schulsozialarbeit mag man dieser Ansicht vielleicht zustimmen, doch gilt dies keineswegs für das gesamte Aufgabengebiet der Kinder- und Jugendhilfe. Das lässt sich auch nicht aus Art. 302 Abs. 3 Zivilgesetzbuch (ZGB) ableiten, der den Eltern nahelegt, sie «sollen in geeigneter Weise mit der Schule und, wo es die Umstände erfordern, mit der öffentlichen und gemeinnützigen Jugendhilfe zusammenarbeiten.» So wird im RS 5.2 (7/35) aus «Die Eltern sollen mit … zusammenarbeiten» gefolgert:
«Die Eltern sind zur Zusammenarbeit mit … verpflichtet». Aber: Sollen ist kein Müssen, und eine Empfehlung ist kein Befehl.
Verweigern Eltern die erforderliche Zusammenarbeit mit der Schule[4] oder mit der Kinder- und Jugendhilfe, müssen sie auf mögliche Konsequenzen hingewiesen werden.
Dass Stefan Schnurr in seiner Definition von Kinder- und Jugendhilfe die Schule vor  der Familie nennt, verwundert allerdings. Und dass Leistungen der Familien privater Natur sind, versteht sich von selbst.

3.3 Verzicht auf die explizite Nennung der Erziehungsträger

§ 2 Abs. 3 Gesetz betreffend kantonale Jugendhilfe (JHG) bezeichnet die Inhaber der elterlichen Sorge und die Schule explizit als Erziehungsträger. § 5 Abs. 2 JHG geht noch einen Schritt weiter: Die Eltern bestimmen die Grundrichtung der Erziehung, was für die staatlichen Organe massgeblich ist. Aufgabe der Jugendhilfe ist die Förderung der Jugendlichen bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit, soweit diese Aufgabe nicht vom Inhaber der elterlichen Sorge und von der Schule wahrzunehmen ist (§ 1 JHG).
Die Eltern, die Schule und die Kinder- und Jugendhilfe sind der gleichen Zielsetzung verpflichtet. Die Prioritäten liegen primär bei den Eltern, sekundär bei der Schule.
Im Schulgesetz kommt dies treffend zum Ausdruck. Danach hat die Schule die Aufgabe,

  • «in Ergänzung und Unterstützung der Familienerziehung die körperliche und geistige Entwicklung der Schülerinnen und der Schüler so zu fördern, dass diese sowohl den allgemein menschlichen als auch den beruflichen Anforderungen des Lebens gewachsen sind.» (§ 3a Schulgesetz).
  • «Sie unterstützt … die Schülerrinnen und Schüler dabei, ihre persönliche Identität in der Gesellschaft zu finden und die Fähigkeit zu entwickeln, … gegenüber sich selbst, den Mitmenschen und der Umwelt verantwortungsvoll zu handeln.» (§ 3b Schulgesetz).

Die Familie ist – unter Berücksichtigung heutiger Formenvielfalt – der erste Ort für Wertevermittlung und für gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Erst dann kommt die Schule auf den Plan. Kinder- und Jugendhilfe hat somit eine die edukativen Bemühungen der Erziehungsträger Familie und Schule unter­stützende und ergänzende Funktion. Dies sollte im KJG deutlich zum Ausdruck kommen.

  • Wir schlagen vor, § 2 KJG wie folgt zu ändern:

Begriffe

§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes

a) wird «Kinder- und Jugendhilfe» verstanden als eigenständiger Handlungsbereich, welcher die Inhaber der elterlichen Sorge und die Schule als Erziehungsträger hinsichtlich der sozialen Bedingungen für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen unterstützt und ergänzt,

b) sind «Kinder und Jugendliche» Personen bis zum vollendeten 18. Altersjahr und

c) «junge Erwachsene» Personen bis zum vollendeten 25. Altersjahr.

4 Zu II. Grundsätze

4.1 Zum Kindeswohl (§ 3 JHG)

In §§ 3 bis 7 KJG werden folgende Prinzipien genannt: Kindeswohl, Förderung, Schutz, Chancen­gleichheit und Mitwirkung. Die Aufzählung lässt eine Rangfolge erkennen. Auch wenn die KRK den Begriff Kindeswohl[5] nicht definiert, bildet das Kindeswohl die oberste Leitnorm. Sie hat gemäß Art. 3 Abs. 1 KRK unbedingten Vorrang bei allen staatlichen Massnahmen, von denen Kinder und Jugendliche betroffen sind (Cremer 2012, 238).[6] Die Auslegung des Begriffs Kindeswohl muss mit den sich aus der KRK ergebenden Rechten übereinstimmen und ihre Umsetzung fördern.[7]

4.2 Zur Chancengerechtigkeit (§ 6 KJG)

Im RS (12.4.4) wird unter Chancengleichheit (§ 6 KJG) «eine gerechte Verteilung von Zugangs- und Lebensmöglichkeiten verstanden». Mit Chancengerechtigkeit wird das Anliegen staatlichen Handelns genauer getroffen. Chancengerechtigkeit verpflichtet stärker als Chancengleichheit.

  • Empfehlung
    • «Chancengleichheit» durch «Chancengerechtigkeit» zu ersetzen.

4.3 Zur Mitwirkung (§ 7 KJG)

Im RS 12.4.5 (19/35) wird im letzten Abschnitt darauf hingewiesen, dass sich Kinder und Jugendliche «mit all ihren Anliegen, Sorgen und Begehren» an die Kinder- und Jugend­beauf­tragten wenden können, die als Ansprechpartner und Vermittelnde zwischen der jungen Bevölkerung und der Verwaltung fungieren, bei der Umsetzung von Anliegen behilflich sind und dem Recht auf Information und Weitervermittlung nachkommen.
Ein Problem besteht jedoch darin, dass einerseits die Kinder- und Jugendbeauftragten den jungen Menschen so gut wie gar nicht und selbst vielen Fachleuten kaum bekannt sind und andererseits für junge Menschen die Hürde zu hoch ist, mit ihnen in Kontakt zu treten.

  • Empfehlung
    • entweder einen niederschwelligen Zugang zu den Kinder- und Jugendbeauftragten herbeizuführen durch Auslagerung ihrer Büros ausserhalb der Verwaltung an einen zentralen Ort, an dem sich Kinder und Jugendliche vorzugsweise aufhalten
    • auf mittlere Frist eine Informationsstelle im Sinne von «Infoclick» zu schaffen oder
    • Aufgaben der Kinder- und Jugendbeauftragten an das Kinderbüro zu delegieren.

4.4 Erweiterung des Prinzipienkatalogs um «Inklusion»

Inklusion leitet sich unmittelbar aus der Chancengerechtigtkeit ab. Inklusion ist ein gesellschafts­politisches Erfordernis. Sie stellt für die Kinder- und Jugendhilfe, aber auch für die Kinder- und Jugendhilfeplanung eine besondere Herausforderung dar. Sie ist Ausdruck von Vielfalt und trägt dazu bei, die Chancen gesellschaftlicher Teilhabe aller jungen Menschen mit und ohne Handicap zu verbessern und positive Lebens­be­dingungen herbeizuführen. Inklusion hat analog zur Schule eine sinnstiftende Bedeutung sowohl für die offene Kinder- und Jugendarbeit als auch für kinder- und jugendkulturelle Initiativen und Aktivitäten. Dazu bedarf es eines generellen Umdenkens, der Ausarbeitung politischer Leitlinien und ihrer schrittweisen Umsetzung – ein Prozess, der in Richtung «inklusive Kinder- und Jugendhilfe» zielt.

  • Wir empfehlen
    • den Prinzipienkatalog durch «Inklusion» zu ergänzen und neu als «§ 7 Inklusion» in das KJG einzufügen.

5 Zu III. Leistungen der Jugendhilfe

Die Leistungen der Jugendhilfe beziehen sich auf

§ 8. Allgemeine Förderung, Information und Beratung,
§ 9. Ergänzende Hilfen zur Erziehung, Abklärungen und Führen von Kindes­schutz­mandaten,
§ 11. Weitere Bestimmungen zu den Leistungen.

5.1 Allgemeine Förderung

Unter § 8 Abs. 1 Ziff. fallen folgende Leistungsbereiche:

a) Familienergänzende Kinderbetreuung
b) Offene Kinder- und Jugendarbeit
c) Kulturelle Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen
d) Elternbildung.

Die im Tagesbetreuungsgesetz und im Schulgesetz geregelte familienergänzende Kinderbetreuung ist aus systematischen Gründen als Leistungsangebot ins KJG eingefügt worden (RS 12.5.1 – 20/35).

Die unter lit. b) bis c) mit einer heute üblichen Bezeichnung aufgeführten Leistungs­an­gebote sind im geltenden JHG identisch mit Freizeiteinrichtungen (§ 12), Kultureller Bereich (§ 13) und Bildung in Erziehungsfragen.
Die «Allgemeine Förderung» im KJG orientiert sich an der «Jugendpflege» im JHG. Substantiell Neues ist nicht hinzugekommen. Im Gegenteil: Unter lit. c) ist nur noch die Rede von kulturellen Aktivitäten; die kulturellen Einrichtungen sind weggefallen.
Ein entscheidender Bereich fehlt: die ausserschulische Jugendbildung.
Bildung ist ein gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Thema erster Ordnung. Die Bedeutung der frühkindlichen und vorschulischen Bildung wird hoch gewichtet. Schulische Bildung kann längst nicht alles abdecken. Es ist notwendig, die ausser­schulische Jugendbildung zu forcieren. Sie geht über das hinaus, was man als nonformale Lebenswelten und Lernfelder bezeichnet und gern mit offener Kinder- und Jugendarbeit gleichsetzt. Sie erschöpft sich nicht in verstärkter Kooperation der Kinder- und Jugendarbeit mit der Schule, so wichtig diese auch ist. Ausserschulische Jugendbildung trägt dazu bei, Mängel und Versäumnisse anderer Erziehungs- und Bildungsinstanzen zu kompensieren.
In der offenen Jugendarbeit gewinnt aber auch die formale Bildung zunehmend an Bedeutung. Andernorts gehört es zur Tradition von Volkshochschulen, Jugendverbänden und Gewerkschaften, im Rahmen der ausserschulischen Jugendbildung Kursangebote mit sozialen, politischen und kulturellen Inhalten oder auch gezielt zur Jugendberufshilfe in ihre Programme aufzunehmen. Hierzulande werden an Volks­hochschulen Kurse für Behinderte durchgeführt, und Basel ist stolz auf seine Kinder-Universität.

  • Empfehlung, in § 8 KJG Ziff. 1 einzufügen: «d) ausserschulische Jugendbildung»

5.2 Information und Beratung

§ 8 Abs. 1 Ziff. 2 bezieht sich auf die Information und Beratung zur Bewältigung allgemeiner Herausforderungen und schwieriger Lebenslagen:

a) für Kinder und Jugendliche
b) für Eltern und an der Erziehung Beteiligte
c) Soziale Arbeit an Schulen
d) Massnahmen zur Integration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in die Arbeitswelt.

Um zu verstehen, was in diesem Leistungskatalog unter den Buchstaben a) und b) gemeint ist, muss man den RS (21-23/35) beiziehen, erhält aber leider nicht die nötigen Antworten. Aus § 8 Ziff. 2 erschliesst sich nicht auf Anhieb, worum es geht. Was heisst «Information und Beratung zur Bewältigung allgemeiner Herausforderungen»? Man findet auch keinen Hinweis auf die zuständigen öffentlichen und/oder privaten Beratungs­stellen.

Es geht um:

  • Informationen genereller Art für Kinder und Jugendliche und Erwachsene
  • Zugang zur Beratung von Kindern und Jugendlichen bei persönlichen Problemen ohne Information an die Eltern gemäss Art. 10 KJG (individuelle Beratung)
  • Beratung bei individuellen Problemen und/oder familiären Belastungen auf Seiten junger Menschen und ihrer Erziehungsberechtigten: a) freiwillige Beratung (auf der Grundlage einer Vereinbarung), b) behördlich angeordnete Beratung (Beratung im Zwangskontext).

Die Bemerkung zu § 8 Abs. 1 KJG und die Fussnote 35 bezüglich der freien Zugänglich­keit für alle Einwohnerinnen und Einwohner (RS 12.5.1, 22/35, vorletzter Abschnitt) er­übrigt sich, weil sie sich aus dem Sachverhalt ergibt («im Rahmen ihrer Verfügbarkeit»), ebenso aus § 8 Abs. 3 KJG bezüglich der Beschränkung auf bestimmte Adressaten («Verhältnis von Nutzen und Aufwand», Weiterverweis an eine andere Stelle). (RS 12.5.1, 22-23/35, letzter Abschnitt)
Die gemäss § 8 Abs. 1 Ziff. 2 lit. d KJG vorgesehenen «Massnahmen zur Integration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in die Arbeitswelt» sind vom Wortlaut her nicht identisch mit «Massnahmen zur beruflichen Integration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen» im RS (22/35). – Was gilt nun?

5.3 Zu den jungen Erwachsenen

Im Ratschlag finden sich zu den jungen Erwachsenen folgende Bemerkungen:

  • Gegenstand und Zweck: «Das Gesetz gilt für Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene mit zivilrechtlichem Wohnsitz oder fürsorgerechtlichem Unterstützungswohnsitz im Kanton Basel-Stadt.» (RS 12.3.1, 16/35)
  • Definition: Nach § 2 lit. c gelten als junge Erwachsene Personen von 18 bis 25 Jahre. Dies sei «insofern von Bedeutung, als es Leistungen gibt, die über das Mündigkeitsalter hinaus gewährt werden.» (RS 12.3.2, 16/35)
  • Förderung: In § 4 Abs. 1 KJG werde darauf hingewiesen, «Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene[8] optimal entwickeln können» (RS 12.4.2, 17/35)
  • Förderung kultureller Aktivitäten gemäss § 8 Ziff. 1 lit. c:
  • «Gemeint sind edukative, öffentlich zugängliche und nicht gewinnorientierte Freizeitangebote, an denen Kinder und Jugendliche oder junge Erwachsene direkt beteiligt sind.» … «Kulturelle Aktivitäten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen können einerseits gefördert werden, indem sie vom Swisslos-Fonds (mit)finanziert werden, wie z.B. das Jugendkulturfestival oder das Imagine Festival, und andererseits durch das Zur-Verfügung-Stellen von Räumen, wie z.B. Übungs- und Proberäumen für Musikgruppen.» (RS 12.5.1, 16-17/35)

Kinder- und jugendkulturelle Aktivitäten und Angebote zählen seit jeher zum integralen Aufgabenfeld der offenen und verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit. Derartige Angebote gibt es auch als eigenständige Projekte und Einrichtungen (z. B. Kindertheater, Sommercasino). Bezüglich der Förderung entsprechender Initiativen und Projekte muss sich das Gemeinwesen stärker in die Pflicht nehmen lassen. Der blosse Hinweis auf bestimmte Fonds und auf Übungs- und Proberäume für Musikgruppen – ein Daueranliegen (z B. Rockförderverein Basel RFV) – genügt nicht.

  • Berufliche Integration gemäss § 8 Ziff. 2 lit. d:
    «Massnahmen zur beruflichen Integration … haben zum Ziel, Jugendliche und junge Erwachsene beim Einstieg in die Berufsbildung und in die Erwerbsarbeit zu unter­stützen.» Die Jugendhilfe hält im KJG Angebote für Jugendliche bereit, denen eine Tagesstruktur fehlt. «Koordiniert und triagiert werden die Unter­stützungs­mass­nahmen im Kanton Basel-Stadt im Rahmen des Case Managements Berufsbildung.» (RS 12.5.1, 22/35)

5.4 Hilfegewährung über die Mündigkeit hinaus

Nach § 11 Abs. 5 KJG kann nur «Jugendlichen, denen aufgrund dieses Gesetzes im Zeitpunkt des Erreichens der Mündigkeit Hilfe gewährt wird, … weiterhin gewährt werden, solange dies erforderlich ist, jedoch längstens bis zur Vollendung des 25. Altersjahres.» Diese Bestimmung ist identisch mit § 4 JHG, der die Voraussetzung dieser Hilfeleistung allerdings präziser begründet: «… sofern ein Abbruch der Hilfeleistung nicht verantwortet werden kann» statt «solange dies erforderlich ist» (§ 11 Abs. 5 KJG).
Im KJG fehlt eine wichtige Voraussetzung: Die Hilfegewährung über die Mündigkeit hinaus setzt das Einverständnis des jungen Erwachsenen voraus.

5.5 Exkurs: Es fehlt an Beratungskapazitäten für junge Erwachsene bei persönlichen Problemen

Die Ausführungen im RS 12.5.4 (26/35) zu § 11 Abs. 5 KJG[9] treffen zunehmend auch auf junge Erwachsene zu, die erst nach Erreichen der Mündigkeit aufgrund persönlicher Probleme einen deutlichen Beratungsbedarf signalisieren. Dies hängt mit der verlängerten Jugend­zeit bzw. mit dem allmählichen Hineinwachsen in die Erwachsenen­welt zusammen, was mit beruflicher Ausbildung, finanzieller Unterstützung durch die Eltern, Streben nach autonomer Lebensführung, aber auch mit (Identitäts-) Krisen einhergeht. Es ist kein Geheimnis, dass sich viele junge Menschen mit 18 Jahren (noch) nicht erwachsen fühlen. Ohne Zugang zu Beratungsstellen auf freiwilliger Grundlage besteht bei manchen die Gefahr, zwischen Stuhl und Bank zu fallen. Das Gemeinwesen ist gefordert, dem wachsenden Beratungsbedarf junger Erwachsener – insbesondere bei den 18- bis 21-Jährigen – Rechnung zu tragen.
Die Jugendberatung der JuAr Basel ist die einzige Beratungsstelle für Jugendliche und junge Erwachsene, welche psychosoziale Beratung, Hilfe und Unterstützung zur Bewältigung altersspezifischer Problemstellungen auf freiwilliger Basis anbietet. Aufgrund der seit Jahren gestiegenen Nachfrage sind ihre Kapazitäten stark eingeschränkt.

  • Empfehlung,
    • § 8 KJG Abs. 1 Ziff. 2 lit. a zu ergänzen: a) Information und Beratung für Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene (ggf. mit Beschränkung auf 18- bis 21 Jährige)
    • in § 11 Abs. 5 KJG die Hilfegewährung über die Mündigkeit hinaus an das Einverständnis der/des Jugendlichen (bzw. der/des jungen Erwachsenen) zu binden
    • § 11 Abs. 3 ist zu ergänzen: Sie können auf bestimmte Adressaten beschränkt werden.

5.6 Zu § 9 Ziff. 1 KJG Ergänzende Hilfen zur Erziehung

Die folgenden im Leistungskatalog des § 19 JHG aufgezählten Hilfen für Jugendliche in besonderen Lebenslagen sind in § 9 Ziff. 1 KJG nicht zu finden:

  • Psychologische Beratung und Betreuung
  • Medizinische Beratung
  • Betreuung und Schulung von Behinderten
  • Betreuung und Massnahmen für Suchtgefährdete.[10]

Die Weglassung wird nicht begründet. Das könnte in den Reihen psychologischer, psychothera­peutischer, pädiatrischer sowie kinder- und jugendpsychiatrischer Observanz auf Unverständnis stossen und Unmut hervorrufen. Abklärungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe bedürfen der interdisziplinären und multiprofessionellen Ausrichtung. Im Titel von § 9 Ziff. 1 KJG genügt «Hilfen zur Erziehung». Hilfen zur Erziehung haben immer eine unterstützende und ergänzende Funktion.

Im Ratschlag (12.5.2, 23/35) werden unter «Pädagogische und therapeutische Massnahmen für Kinder und Jugendliche» als Beispiele angeführt:

  • die heilpädagogische Früherziehung,
  • Anti-Aggressionsprogramme für Jugendliche oder
  • indizierte therapeutische Leistungsangebote bei privaten Leistungserbringern.

Damit sind aber nicht alle in § 19 JHG vorgesehenen Hilfen im KJG vollständig abgedeckt.

  • Empfehlung,
    • § 9 Abs. 1 Ziff. 1 KJG Hilfen zur Erziehung zu nennen bei Verzicht auf das Adjektiv «ergänzende»
    • in § 9 Abs. 2 KJG das Adjektiv «ergänzende» zu streichen

5.7 Zu § 9 Ziff. 2 Abklärungen und Führen von Kindes­schutzmandaten

In § 9 Ziff. 2 KJG ist der Zusammenzug von «Abklärungen und Führen von Kindes­­schutz­­mandaten» miss­verständlich und wirft die Frage auf, ob die Zuständigkeit der KESB ausreichend beachtet wird.
Abklärungen von Kindeswohlgefährdungen sind das eine, Führen von Kindes­schutz­mandaten das andere.
Zwischen «Abklärungen und Begutachtungen zuhanden von Behörden und Gerichten» und «Abklärungen und Begutachtungen im Auftrag der KESB oder eines Gerichts» besteht doch ein wesentlicher Unterschied. Ein Unterschied besteht auch zwischen Beauftragung und Anordnung: Die KESB kann den KJD mit Abklärungen beauftragen; Kindesschutzmassnahmen dagegen bedürfen der Anordnung durch die KESB oder eines Gerichts. Ordnet die KESB eine Kindes­schutz­massnahme an, bestimmt sie auch, wer die Massnahme führt.
Für den Kinder- und Jugenddienst ergibt sich aus dem KESG und der Verordnung zum kantonalen Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz (VoKESG) Folgendes:

  • Gestützt auf § 2 Abs. 2 KESG kann der KJD als geeignete Fachstelle von der KESB mit Abklärungen beauftragt werden (§ 8 Abs. 1 VoKESG).
  • Kann Hilfestellung auf freiwilliger Basis erbracht werden[11], sind im Sinne des Subsidiaritätsprinzips Anträge und Meldungen direkt an die zuständige Fachstelle zu richten (§ 8 Abs. 2 VoKESG).
  • Der KJD hat u. a. die Aufgabe, Beistandschaften und Vormundschaften für Kinder und Jugendliche entsprechend KESB-Beschluss zu führen und Abklärungsaufträge zu übernehmen (§ 37 VoKESG Abs. 2).
  • Berufliche Mandatsträgerinnen und Mandatsträger haben eine geeignete Ausbildung und eine für die Tätigkeit erforderliche Weiterbildung sowie eine entsprechende Berufspraxis nachzuweisen (§ 23 KESG; § 39 Abs. 1 VoKESG).
  • Die Übertragung von Mandaten erfolgt nach Verfügbarkeit und Eignung auf der Grundlage vereinbarter Richtlinien der KESB mit den Leitungen von ABES und KJD (§ 39 Abs. 2 VoKESG), die für die fachliche Aufsicht und die Führung der beruflichen Mandatstragenden ihrer Dienststelle zuständig sind (§ 39 Abs. VoKESG).

Von den Gerichten und der KESB abgesehen ist unklar, welche (anderen) Behörden der Kinder- und Jugendhilfe Abklärungsaufträge erteilen können. Einleuchtend ist aber der Hinweis im Ratschlag 12.5.2 (24/35), dass parallel zu einer laufenden Abklärung Hilfeleistungen notwendig werden können. Wer die «zuständigen und anerkannten Stellen» sind, die gemäss § 9 Abs. 2 KJG eine zu erbringende Leistung, die auf einem individuellen Leistungsentscheid beruht, bewilligen können «und damit die Steuerung und Planung von Leistungen übernehmen» (RS 12.5.2, 24/35, letzter Abschnitt), soll in den Ausführungs­bestimmungen geregelt werden (vgl. RS 12.5.4, 26/35 zu § 11 Abs. 4 KJG).

  • Empfehlung
    • § 9 Abs. 1 Ziff. 2 lit. a) sollte lauten: «Abklärungen und Begutachtungen im Auftrag der KESB oder eines Gerichts».
    • § 9 Abs. 1 Ziff. 2 lit. b) sollte lauten: «Führen der durch die KESB angeordneten Kindesschutz­mandate».
    • Auf § 9 Abs. 3 kann verzichtet werden, da durch § 9 Abs. 1 Ziff. 1 und Ziff. 2 genügend präzisiert.
    • zu überprüfen, ob Doppelspurigkeiten zwischen KESB und KJD bestehen.

6 Zu § 15 Vollzug

§ 15. Das zuständige Departement und die entsprechenden Verwaltungsabteilungen sowie die Gemeinden vollziehen sämtliche Aufgaben des vorliegenden Gesetzes, sofern sie nicht ausdrücklich einer anderen Behörde zugeordnet sind.
2 Der Regierungsrat erlässt die notwendigen Ausführungsbestimmungen.

Es wäre wünschenswert gewesen, mit dem Gesetzesentwurf gleichzeitig den Entwurf der Ausführungsbestimmungen vorzulegen. Diese Forderung wurde schon bei der Vernehmlassung zum Gesetz betreffend kantonale Jugendhilfe erhoben.

  • Empfehlung,
    • in Abs. 1 «sämtliche Aufgaben des vorliegenden Gesetzes» zu ersetzen durch «die Aufgaben dieses Gesetzes»

7 Zu § 18 Schweigepflicht KJG

Schweigepflicht
§ 18. Personen, die Leistungen im Sinne dieses Gesetzes erbringen, sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen aus dieser Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet.
2 Sie dürfen vertrauliche Informationen nur in Erfüllung einer ausdrücklichen gesetzlichen Pflicht oder mit Zustimmung der betreffenden Personen austauschen.
3 Die Schweigepflicht besteht nicht gegenüber Fachpersonen und Institutionen im Rahmen der fachlich erforderlichen Zusammenarbeit».

Abs. 3 ist zu streichen, weil er der notwendigen Vertrauensbildung zwischen der Klientel und den Fachpersonen zuwiderläuft und die Gefahr besteht, dass der Persönlich­keits­schutz dadurch verletzt wird.
Wie in Abs. 2 festgehalten, bedarf der Austausch von vertraulichen Informationen der ausdrücklichen Zustimmung der betreffenden Personen. Daran darf nicht gerüttelt werden. Es muss auch gewährleistet sein, dass vertrauliche Mitteilungen als solche gewahrt bleiben.

  • Empfehlung,
    • «Schweigepflicht» durch «Datenschutz» zu ersetzen und
    • Abs. 3 ersatzlos zu streichen

8 Zur Kommission für Jugendfragen

Die im geltenden Gesetz betreffend kantonale Jugendhilfe (JHG) verankerte Kommission für Jugendfragen wurde nach Abwägen des Für und Wider aller vorgebrachten Argu­mente auf Beschluss der Grossratskommission als Artikel 23 eingefügt, «um so den Regierungsrat zu verpflichten, diese Kommission einzusetzen und mit ihr zusammen­zu­arbeiten».[12]
Der Wortlaut ist folgender:

V. ORGANE
Kommission für Jugendfragen
§ 23. Der Regierungsrat ernennt eine Kommission für Jugendfragen.
2 Sie berät die zuständigen Departemente insbesondere in Fragen der Organisation und Planung der kantonalen Jugendhilfe.
3 Die Kommission für Jugendfragen besteht aus einem Präsidenten und zehn weiteren Mitgliedern. Diese vertreten paritätisch die staat­lichen und nicht­staat­lichen Institutionen.
Die Grossratskommission hat für die Kommission für Jugendfragen folgende Aufgaben vorgesehen:

  • Förderung der Zusammenarbeit zwischen staat­lichen und nicht­staat­lichen Stellen
  • Gewährleistung einer wirkungsvollen kantonalen Jugendhilfe durch Feststellung von Überschneidungen
  • Beratung der zuständigen Departemente in Planungsfragen[13]
  • Ausarbeitung von Vorschlägen zuhanden der betroffenen Departemente.

«Durch die offene Formulierung des Aufgabenbereichs soll sichergestellt werden, dass in der Arbeit der kantonalen Jugendhilfe Konstanz gewährleistet wird, und dass ein Gremium vorhanden ist, das über den weiten Bereich der staat­lichen und nicht­staat­lichen Jugend­hilfe die Übersicht hat.»[14]
«Ihre Bedeutung [erhält] die Kommission vor allem durch die Gleichstellung der staat­lichen und nicht­staat­lichen Jugendhilfe.»[15]
Mit der Verwaltungsreform wurden in den vergangenen Jahren die Kinder- und Jugend­hilfe innerhalb des Erziehungs­departements im Bereich Jugend, Familie und Sport zusammen­geführt. Das hat zweifelsfrei für die staatliche Planung und Steuerung Vorteile.

8.1 Kinder- und Jugendhilfe ist eine typische Querschnittsaufgabe

Im Grunde hat jedes Departement in irgendeiner Weise mit Fragen der Kinder- und Jugend­arbeit zu tun. Einige Departemente haben diesbezüglich eigene Zuständig­keits­bereiche. Die Federführung für die gesamte Kinder- und Jugendhilfe sowie für die Kinder- und Jugendarbeit liegt beim Erziehungsdepartement.
Der Bereich Jugend, Familie und Sport gliedert sich in drei Abteilungen:

  • Abteilung Jugend- und Familienförderung
  • Abteilung Jugend- und Familienangebote (zuständig für die Steuerung und Planung der Angebote Tagesbetreuung, ambulante und stationäre Jugendhilfe sowie für die offene Kinder- und Jugendarbeit)
  • Kinder- und Jugenddienst (KJD).

Die Abteilungen sind mit Fachleuten besetzt. Sie übernehmen im Rahmen der Planung und sogenannten neuen Steuerung auch Aufgaben, welche nach geltendem Recht der paritätisch mit Vertreterinnen und Vertretern der staatlichen und nichtstaatlichen Kinder- und Jugendhilfe zusammengesetzten Kommission für Jugendfragen als Beratungs­gremium des zuständigen Departements vorbehalten sind.
Ein Verzicht auf die Kommission für Jugendfragen nimmt gerade der nichtstaatlichen Kinder- und Jugendhilfe die Möglichkeit der Einwirkung auf jugendpolitische Ziel­setz­ungen und Entscheide, schwächt die partnerschaftliche Zusammenarbeit und führt peu à peu zu mehr Reglementierung und möglicherweise zu weiteren Einsparungen. Dadurch verliert die Verwaltung an Bodenhaftung.
Die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen zu stärken und sie ganz bewusst in die Planung einzubeziehen, darf nicht zur Aushöhlung der partizipativen Zusammen­arbeit auf Seiten der nichtstaatlichen Trägerschaften der Kinder- und Jugendhilfe führen.
Aus diesem Grunde macht es Sinn, die Kommission für Jugendfragen auch in einem neuen Kinder- und Jugendgesetz zu verankern.
Durch die Kommission für Jugendfragen kann dem in Art. 317 ZGB vorgegebenen Auftrag nach Vernetzung, Koordination und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der gesamten Kinder- und Jugendhilfe auf besondere Art entsprochen werden.

  • Empfehlung
    • die Kommission für Jugendfragen auch im Kinder- und Jugendgesetz zu verankern.

Fussnoten

[1] Schnurr, Stefan: Grundleistungen der Kinder- und Jugendhilfe. 2012, 68. Erstellt im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherungen als Beitrag zur Projektgruppe zur Beantwortung des Postulats Fehr (07.3725).
www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/27305.pdf.
[2] Ders.: Kinder- und Jugendhilfe. In: Kinder- und Jugendhilfe im Kanton Basel-Landschaft: Bestandesaufnahme und Entwick­lungsperspektiven. Entwurf für das Konsultations­ver­fahren. 2010, 13 f. Ergebnisse des Projekts «Konzept Jugendhilfe Basel-Landschaft». Verabschiedet von der Projektgruppe am 16.09.2010. Regierungsratsbeschluss zur Durchführung des Konsultations­verfahrens vom 25.01.2011; Frist zur Einreichung der Stellungnahmen: 26. 04.2011.
www.baselland.ch/fileadmin/baselland/files/docs/ekd/kjb/kind_jugend/kinder-jugendhilfe_bl.pdf
[3] Ders.: Kinder- und Jugendhilfe. In: Kinder- und Jugendhilfe im Kanton Basel-Landschaft: Bestandesaufnahme und Entwicklungsperspektiven. Entwurf für das Konsultationsverfahren. 2010, 13.
[4] Zu den Rechten und Pflichten der Erziehungsberechtigten siehe § 91 Schulgesetz, besonders Abs. 7 bis Abs. 9.
[5] Kindeswohl ist ein unbestimmter Rechtsbegriff.
[6] Vgl. Cremer, Hendrik: Kinderrechte und der Vorrang des Kindeswohls. In: AnwBl 4/2012, 327-329.
[7] Cremer, Hendrik: Kinderrechte und der Vorrang des Kindeswohls. In: AnwBl 4/2012, 328.
[8] In § 4 Abs. 1 KJG werden die jungen Erwachsenen aber nicht genannt (wohl in § 8 Ziff. 1 und in § 8 Ziff. 1 lit. c): «Förderung § 4. Kanton und Gemeinden schaffen Rahmenbedingungen und fördern Massnahmen, die zu einer Entwicklung von Kindern und Jugendlichen als eigenständige, sozial verantwortliche Personen und zu deren sozialer, kultureller und politischer Integration beitragen.»
[9] «Insbesondere Jugendliche mit besonderen Risiken sind bei Erreichen der Mündigkeit oft noch auf Hilfe angewiesen. Zudem ist das Mündigkeitsalter im Vergleich zu 1984 um zwei Jahre gesenkt worden, was die Möglichkeit einer Begleitung über dieses Alter hinaus noch nötiger erscheinen lässt.»
[10] Zu lit. a) Information und Beratung für Kinder und Jugendliche (RS 12.5, 22/35): «Kinder und Jugendliche, welche Beratungen aufsuchen, sind zudem oft bereits Opfer von Gewalt, von Sucht betroffen oder leiden unter psychischen Problemen. Informationen sind oft unspezifisch an alle Kinder und Jugendlichen gerichtet, sie können aber auch auf eine bestimmte Problemlage fokussieren.»
[11] Freiwilligkeit rangiert vor Zwang
[12] Bericht der Grossratskommission zum Ratschlag 7667 und Entwurf zu einem Gesetz betreffend Jugendhilfe. Den Mitgliedern des Grossen Rates des Kantons zugestellt am 6. April 1984, 15.
[13] Da nach § 3 lit. c des Organisationsgesetzes der Regierungsrat die staatlichen Aktivitäten in allen wichtigen Bereichen plant, kann der Kommission für Jugendfragen keine selbständige Planungs­kompetenz zuerkannt werden. Siehe Bericht der Grossrats-kommission zum Ratschlag 7667 …, 16.
[14] A. a. O.
[15] 15 A.a.O., 15

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